Farbe der Flora

Farbe der Flora

Wir kennen die Farbe der Pflanzen: Grün ist ein Blatt, das Gras ist grün, der Rasen, ein Rabatt, ein Busch, ein Baum, der Wald, Wiesen, Äcker, eine Landschaft. Wir können das Grün um uns herum sehen und doch blendet unser Bewusstsein es aus. Grünes setzen wir automatisch mit Natur in Verbindung und erleben es dort als stimmig.

Bewusst wird uns die Farbe Grün in der Natur erst durch ihr Verschwinden.

Wenn Bäume absterben und Landschaften verdorren, wenn sich das Grün aus dem Staub macht, wenn es verdorrt, verbrennt und fehlt, dann rückt es in unser Bewusstsein. Der Mangel wird sichtbar. Das Verschwinden des Grüns ist für die Menschen eine archaische, ja eine apokalyptische Erfahrung.

Fächerpalme, Adlerfarn, Hortensie, Farn, Erdbeere, Moos, Klee - Grün eine unermesslich reiche Farbe mit einem weiten Spektrum. Manche Grüntöne sind in der Natur ausgesprochen rar.
Grün eine unermesslich reiche Farbe mit einem weiten Spektrum. Manche Grüntöne sind in der Natur ausgesprochen rar.

Untrennbar ist die Menschheit in ihrer Entwicklungsgeschichte mit der Pflanzenwelt verbunden – auf Gedeih und Verderb. Die Flora gibt Menschen Schutz und Nahrung. Trotzdem sind Menschen erwiesenermaßen blind für die Farbe Grün, das heißt, ein Mensch lenkt seine Aufmerksamkeit nicht auf das, was ihn anscheinend ohnehin schon so üppig und selbstverständlich umgibt, sondern auf das, was in seinen Augen selten vorkommt: eine rote Frucht zum Beispiel, eine Blüte oder die Bewegung eines Tieres. Selbst beim Wort Flora denken wir für gewöhnlich an Blüten, nicht an Blätter. Die Menschheit ist tatsächlich grünblind – zwar nicht aufgrund des Sehorgans Auge, das bei der Mehrheit der Menschen sehr gut für das Grünsehen ausgestattet ist, wohl aber bedingt durch das menschliche Bewusstsein. Menschen sind wählerisch, haben eine Neigung für das Besondere. Sie greifen nach dem Seltenen und begehren am meisten, was sie nicht im Überfluss bekommen können. Dabei ist das Grün eine unermesslich reiche Farbe mit einem weiten Spektrum. Manche Grüntöne sind in der Natur ausgesprochen rar.

Grün eine unermesslich reiche Farbe mit einem weiten Spektrum. Manche Grüntöne sind in der Natur ausgesprochen rar.
Grün eine unermesslich reiche Farbe mit einem weiten Spektrum. Manche Grüntöne sind in der Natur ausgesprochen rar.

In Pflanzengemeinschaften gesellen sich schier unendlich viele Grüntöne zueinander. Eine jede Pflanze bringt ihre eigene Farbschattierung mit. Alle Pflanzen zusammen formen eine fein nuancierte grüne Umgebung, die inspirierend und wohltuend auf uns Menschen wirkt. Grün ist wie ein angenehmes Grundrauschen, das uns umfängt. Im Grünen finden wir Anregung, Entspannung und Erholung. Doch beim Blick in eine grüne Landschaft gilt unsere Aufmerksamkeit eher der Farbe des Himmels, als dem Grün, das uns so nuancenreich umgibt. Wir sprechen viel über den Himmel, der ganz offenbar unsere Stimmung  beeinflusst und reflektiert. Wir geraten ins Schwärmen beim Anblick von Wolken und beim Abend- oder Morgenrot, das uns stark beeindruckt. Grün nimmt als die Farbe der Flora im Farbspektrum des Lichtes, neben Gelb, tatsächlich mit den größten Raum ein. Es ist die Farbe Grün, für die ein durchschnittliches menschliches Auge über die meisten Sinnesrezeptoren verfügt. Grün ist uns mit den Sehzapfen also quasi in die Wiege gelegt, denn eigentlich ist der Mensch ein Kind der Flora.

Diese Differenz zu erkunden, die Diskrepanz zwischen Sehvermögen und Bewusstsein, ist der Punkt von dem aus diese Betrachtung der Farbe Grün ihren Ausgang nimmt.

Grün. Farbe der Flora

Neu in der EditionSZ

GRÜN. Farbe der Flora

Über Jahre hat mich die Frage nach dem Grün beschäftigt. Sie ist mir in den Städten begegnet, auf dem Land, in meinem Garten und hat mich in alle Welt begleitet. Ausgelöst durch den Hitzesommer 2022, in dem kein Blatt vor der Dürre verschont blieb, entstand schließlich das Essay „Grün. Farbe der Flora“ als Text-Bild-Werk und Quintessenz meiner Auseinandersetzung mit dem Leben der Pflanzen. Ich werde hier in loser Folge Einblicke in mein neues Buch geben, das im Oktober 2023 in der EditionSZ erscheint [ISBN 978-3-944792-31-6]

Exposé – um was geht es?

Sieben Betrachtungen zur Farbe Grün lenken den Blick auf die existentielle Bedeutung der Flora. Untrennbar sind wir Menschen mit der Pflanzenwelt verbunden. Die Flora gibt uns Schutz und Nahrung. Und doch sind Menschen erwiesenermaßen blind für die Farbe Grün, das heißt, ein Mensch lenkt seine Aufmerksamkeit nicht auf das, was ihn anscheinend ohnehin schon so üppig und selbstverständlich umgibt, sondern auf das, was in seinen Augen selten vorkommt: eine rote Frucht zum Beispiel, eine Blüte oder die Bewegung eines Tieres. Selbst beim Wort Flora denken wir für gewöhnlich an Blüten, nicht an die Blätter, welche die Blüte doch erst hervorbringen. Die Menschheit ist tatsächlich grünblind – zwar nicht aufgrund des Sehorgans Auge, das normalerweise exzellent für das Grünsehen ausgestattet ist, wohl aber bedingt durch das menschliche Bewusstsein. Das Grün dringt erst mit Macht in unser Bewusstsein, wenn es verschwindet. Verschwindet das Grün aus der Landschaft, so ist das eine apokalyptische Erfahrung.

Diese Differenz zu erkunden, die Diskrepanz zwischen Sehvermögen und Bewusstsein, ist der Punkt von dem aus diese Betrachtungen ihren Lauf nehmen. Das Essay gliedert sich also in sieben eigenständige Betrachtungen. Es durchdringt verschiedene Aspekte der Farbe Grün mit visuellen und sprachlichen Mitteln und stellt Bezüge her zu Klimawandel, Religion, Hierarchie, Herrschaftsform und Krieg.

Teil 1: Farbe der Flora

Teil 2: Das Wunder der Fotosynthese

Teil 3: Farbkultur

Teil 4: Paradox des Blauen Planeten

Teil 5: Zivilisatorische Energie: Von der Genesis zur Apokalypse

Teil 6: Eine Frage des Überlebens

Teil 7: Sehnsucht nach Grün

Eine Fächerpalme, gesehen in einem Einkaufszentrum einer Metropole Südostasiens